**** Anmerkungen zur RSR **** ***************************** - `leid tun' heißt jetzt `Leid tun' ... genau wie `(ein) Leid tun' :-( - `offengestanden' gibts nicht mehr :-( - seelig/A :-) ... sollte es nach aller (Un-)Logik der RSR eigentlich geben - sogenannt/A gibt's nicht mehr! :-( - dass es jetzt auch `Exponenzialfunktionen' gibt, ist ein Gerücht! - `aufwändig' aber NICHT `aufwänden' (das soll das Wortstammprinzip sein!) 8-| - `schrieen' und `spieen' sind im Reformduden nicht mehr verzeichnet, wohl aber noch `verschrie[e]n'; das ist derart inkonsistent, dass es nur ein Fehler sein kann! (in Aufl. 22 verbessert) - bei `sei[e]st', `war[e]t', `wär[e]st', `wär[e]t' ist die Form mit `e' nicht mehr im Reformduden vermerkt Der folgende Diskurs stammt aus Ralph Babels de.etc.sprache.deutsch FAQ: ** Warum »selbständig« und nicht »selbstständig«? ** **************************************************** - »Weil `selbstständig' nicht im Duden steht (stand)!« Im Duden steht vieles nicht - kann ja auch gar nicht, denn die deutsche Sprache ist bekanntlich ein offenes System, das beliebig viele Neubildungen zulässt. Die Aufnahme eines Worts in eines der gängigen Wörterbücher mag ein hinreichendes Kriterium für dessen »Existenz« - oder eher ein Hinweis auf dessen Gebräuchlichkeit - sein, ist aber mitnichten notwendig. - »Weil im Duden `selbständig' steht!« Die Existenz eines bedeutungsgleichen Worts war noch nie ein zwingendes Argument gegen eine Neuschöpfung. Der Umfang vieler Synonymwörterbücher sollte Beweis genug hierfür sein. - »Wegen des doppelten `st'!« Das scheint bei »Selbststudium« - seit geraumer Zeit im Duden verzeichnet - noch keinen gestört zu haben. - »`selbständig' ist von `selber' abgeleitet!« Möglich. Und »selbstständig« eben von »selbst«. So flapsig, wie die letzte Antwort erscheinen mag, ist sie gar nicht - wenngleich »selbständig« wohl eher von »selb« (siehe unten) denn von »selber« abgeleitet wurde. Die Frage müsste eher lauten, _warum_ man das erstmals im 15. Jahrhundert belegte Wort mit der Bedeutung »für sich bestehend« nicht von »selbst« abgeleitet hat bzw. warum die von »selbst« abgeleitete Form heute weniger gängig ist, denn wollte man _heutzutage_ ad hoc ein Wort beispielsweise für »ohne fremde Hilfe stehend« bilden, so nähme man wahrscheinlich eher »selbststehend« denn »selbstehend«. »selbst«, von mhd. »selb(e)s« mit unorganischem »t«, ist ein erstarrter Genitiv Singular, »selber« ein erstarrter starker Nominativ Singular Maskulinum zu »selb«. »selb«, verwandt mit engl. »self«, kommt heute fast nur noch vor in »selbig«, »der-/die-/dasselbe« sowie getrennt bei vorangehender Präposition, die mit einem Artikel verschmolzen ist (»zur selben Zeit« aus »zu derselben Zeit«), oder mit Demonstrativpronomen. Formen wie »selbander« (zu zweit) und »selbdritt« (»er kam selbdritt« = »selbst als Dritter« = »mit zwei anderen« = »sie kamen zu dritt«) usw. sind veraltet. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht ungewöhnlich, dass man sich in älterer Sprache für Zusammensetzungen zunächst der Stammform »selb« bediente; laut Grimm überwog »selbständig« zunächst deutlich. Erst später, nachdem »selbst« über seine ursprünglichen grammatikalischen Grenzen hinaus zur Normalform geworden war, begann man, davon abzuweichen. Heute ist einzig »selbst« noch produktiv und »selbständig« das einzige noch gebräuchliche »selb-«-Kompositum. Im Grimm selbst wurde noch 1900 »selbstständig« verteidigt. Mit den neuesten Ausgaben ihrer Wörterbücher haben indessen viele Redaktionen auch dem Wort »selbstständig« ihren Segen gegeben - was nicht heißen muss, dass es künftig weniger verpönt sein wird als bisher. Hat uns die angebliche _Rechtschreib_reform also ein neues _Wort_ beschert? - Das ginge doch wohl weit über das Mandat der Reformer hinaus. Die Reform ändert nichts an der Schreibweise dieser beiden Wörter: Man schreibt »selbständig« also auch weiterhin »selbständig« und »selbstständig« wie bisher »selbstständig«, so wie man - mit oder ohne Reform - »selber« »selber« und »selbst« »selbst« schreibt. Wortwahl und Stil sind keine Angelegenheit der Rechtschreibung, und schon vor der Reform war es legitim, »selbst« und »ständig« zu einem Wort zusammenzufügen, das rein zufällig mit dem gebräuchlicheren Wort »selbständig« bedeutungsgleich war und bei undeutlicher Aussprache mit diesem verwechselt werden konnte. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um zwei verschiedene Wörter mit ihrer jeweils eigenen Schreibweise handelt. Die _pragmatische_ Antwort auf die eingangs gestellte Frage muss also lauten: »Weil man üblicherweise nicht den Eindruck erwecken will, des allgemein akzeptierten Schrifthochdeutschen unkundig zu sein.« Zugegeben, das hat etwas Lemminghaftes.